[Rezension] Teresa Driscoll – I Am Watching You

„Ella Longfield hört zwei junge Männer im Zug mit Teenagerinnen flirten und denkt sich nichts dabei, bis sie herausfindet, dass die beiden frisch aus dem Gefängnis kommen. Ihr Mutterinstinkt schlägt Alarm, doch sie hält sich zurück. Am nächsten Tag ist eines der Mädchen, Anna Ballard, verschwunden. Ein Jahr später plagen Ella noch immer Schuldgefühle, während sie beginnt Drohbriefe zu erhalten. Ein Aufruf zum Jahrestag offenbart, dass Annas Freunde und Familie Geheimnisse haben. Auch Annas beste Freundin Sarah scheint in jener Nacht nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. Es offenbart sich, dass jemand weiß, wo Anna ist – und Ella im Visier hat.“
Autorin: Teresa Driscoll
Titel: I Am Watching You
Übersetzung: Sonja Häußler
Genre: Thriller
Seitenzahl: 384
Erscheinungsdatum: 25. November 2025
Verlag: HarperCollins
Preis: 14,00€ (Taschenbuch); 5,99€ (E-Book)
Meine Meinung:
Ella gerät während einer Zugfahrt in eine Situation, die sie nicht mehr loslässt. Sie beobachtet zwei junge Männer, offenbar frisch aus dem Gefängnis entlassen, die mit zwei Teenagerinnen ins Gespräch kommen. Ella hat instinktiv ein schlechtes Bauchgefühl, entschließt sich aber dazu nicht einzugreifen. Am nächsten Tag ist eines der Mädchen, Anna Ballard, verschwunden. Ein Jahr später ist der Fall noch immer ungeklärt, doch die Schuldgefühle von Ella, die an jenem Tag nichts unternommen hat, werden immer größer. Gleichzeitig wird Ella zunehmend nervös, denn jemand scheint sie anonym zu überwachen und ihr das damalige Schweigen nachzutragen. Während die Polizei weiter im Dunkeln tappt, zerreißt es das Umfeld der verschwundenen Anna immer mehr. Annas Familie, ihre besten Freundin Sarah… alle scheinen etwas zu verbergen und mehr zu wissen, als sie zugeben.
Die Autorin lässt die Geschichte von verschiedenen Hauptfiguren erzählen. Ella, Sarah, Henry und Matthew und alle eint das ungelöste Verschwinden von Anna. Gleichzeitig trägt jeder von ihnen ein eigenes Päckchen mit sich herum, das im Hintergrund dieses Falles an die Oberfläche drängt. Dadurch entsteht ein breites psychologisches Panorama, das grundsätzlich interessant angelegt ist. Allerdings wirken die Perspektivwechsel nicht immer völlig rund. Manche Stimmen greifen gut ineinander, andere bremsen den Fluss eher aus. Ich fand vor allem die Stimme des Beobachters eher befremdlich. Positiv hervorzuheben sind jedoch die kurzen, klar strukturierten Kapitel. Sie sorgen dafür, dass man trotz der vielen Erzählerinnen in einem angenehmen Lesefluss bleibt.
Ella ist die Zeugin, deren moralisches Dilemma das gesamte Konstrukt in Gang setzt. Sie trägt die Schuld wie ein Gewicht mit sich herum und versucht gleichzeitig, ihren Alltag als Mutter und berufstätige Frau nicht aus den Fugen geraten zu lassen. Sarah ist Annas beste Freundin und hat eindeutig Geheimnisse was jene Nacht betrifft, die sie lieber für sich behalten würde. Henry, Annas Vater, ist ein eher stiller, von Sorge zerfressener Mann, der verzweifelt nach Antworten sucht und gleichzeitig gegen das Auseinanderbrechen seiner Familie kämpft. Matthew schließlich ist ein Privatdetektiv, der offiziell im Auftrag der Eltern arbeitet, sich jedoch auch von eigenen Motiven antreiben lässt. Zusammen ergibt dieses Figurenfeld ein Netzwerk aus persönlichen Belastungen, Scham, Trauer und ungeklärten Schuldgefühlen, das die Handlung weniger über äußere Ereignisse, sondern über innere Konflikte und vor allem unterschiedliche Wahrnehmungen vorantreibt.
Für mich war die Vielperspektivität insgesamt ein Vorteil, da sie dem eher ruhigen Plot Dynamik verleiht. Abgesehen von dem starken, sofort packenden Beginn und einem wieder deutlich spannenderen Ende passiert in der Mitte nicht allzu viel, thematisch wirkt das Buch stellenweise etwas dröge. Hätte man das alles nur aus einer einzigen Perspektive erzählt, wäre es wahrscheinlich noch langatmiger ausgefallen. So aber tragen die wechselnden Stimmen dazu bei, dass man gut durch die Handlung geführt wird und sich trotz des gemäßigten Tempos nicht langweilt. Sprachlich ist der Roman sehr einfach und leicht zugänglich, was das Lesen zusätzlich erleichtert. Das Finale nimmt nochmal etwas Fahrt auf, ob man die Auflösung mag, ist vermutlich Geschmackssache. Ich persönlich fand sie eher mittelmäßig.
Da dies mein erstes Buch von Theresa Driscoll war, bin ich neugierig auf weitere Werke, auch wenn mich „I Am Watching You“ nicht so packen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. Viele ihrer Klappentexte klingen extrem spannend, aber dieser Titel war für mich am Ende eher solide und unaufgeregt, ein Thriller, der nicht mit großen Twists punktet, sondern eher mit der Frage, wie hätte ich an Ellas Stelle gehandelt?
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