[Rezension] Simon Beckett – Knochenkälte (David Hunter #7)

„Das Skelett hängt in den Wurzeln einer mächtigen Fichte, die das Unwetter zu Fall gebracht hat. Das Wurzelwerk scheint über die Jahre in den verwesenden Körper hineingewachsen zu sein und hält ihn fest umklammert wie in einer Umarmung.
Dr. David Hunter ist während eines Wintersturms in einer kleinen Ortschaft in den Cumbrian Mountains gestrandet. Er ist hier unerwünscht, daran lassen die Bewohner von Edendale keinen Zweifel. Beim Versuch, den grausigen Fund bei der Polizei zu melden, stellt der forensische Anthropologe fest, dass der Sturm das Dorf von der Außenwelt abgeschnitten hat …“
Autor: Simon Beckett
Titel: Knochenkälte
Reihe: David Hunter #7
Übersetzung: Sabine Längsfeld, Karen Witthuhn
Genre: Thriller
Seitenzahl: 464
Erscheinungsdatum: 05. November 2025
Verlag: Rowohlt Wunderlich
Preis: 26,00€ (Hardcover); 21,99€ (E-Book)
Reihenfolge:
- Die Chemie des Todes
- Kalte Asche
- Leichenblässe
- Verwesung
- Totenfang
- Die ewigen Toten
- Knochenkälte
Meine Meinung:
Die David Hunter Reihe von Simon Beckett begleitet mich nun schon seit vielen Jahren und sie zählt für mich durchgehend zu den atmosphärisch dichtesten und charakterstärksten Thrillerserien überhaupt. Im Mittelpunkt steht Dr. David Hunter, ein forensischer Anthropologe, einst berühmt in seinem Berufsfeld, bevor ihn ein persönliches Schicksal aus der Bahn geworfen hat und er als Landarzt zur Ruhe kommen wollte. Die Ruhe hielt nicht lange an und Hunter fand sich schnell an realen Tatorten wieder und nahm seine Arbeit als Forensiker wieder auf. Hunter ist kein typischer Thrillerheld, denn er ist ruhig, reflektiert, empathisch und oft ein wenig melancholisch. Genau das macht ihn so greifbar und menschlich. Im Laufe der Reihe erleben wir, wie ihn seine Arbeit immer wieder an seine Grenzen bringt, sowohl körperlich als auch psychisch und wie er dennoch niemals aufhören kann, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
In „Knochenkälte“, dem inzwischen siebten Band der Reihe, verschlägt es David Hunter in die Cumbria Mountains, eine der landschaftlich beeindruckendsten, aber auch abgelegensten Regionen Englands. Dort stößt er auf einen Fall, der ihn nicht nur fachlich herausfordert, sondern ihn einmal mehr in eine Situation bringt, aus der es scheinbar kein Entkommen gibt. Als in der Nähe eines abgelegenen Dorfes menschliche Überreste gefunden werden, muss Hunter helfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch die Dorfgemeinschaft wirkt verschlossen, die Atmosphäre ist angespannt, und je tiefer er in seine Ermittlungen eintaucht, desto deutlicher wird, dass man sich hier vehement gegen die Aufklärung durch Hunter sträubt.
Erzählt wird die Geschichte, wie gewohnt, komplett aus David Hunters Sicht, zumindest abgesehen vom Prolog, der sich später im Buch auf sehr stimmige Weise zuordnen lässt. Ansonsten folgt Beckett einer klaren, linearen Erzählweise, ohne Zeitsprünge oder Perspektivwechsel. Die Stärke des Buches liegt weniger im rasanten Tempo als in der intensiven Atmosphäre. Simon Beckett versteht es meisterhaft, seine Leser langsam, aber mit stetig wachsender Spannung in die Geschichte hineinzuziehen. Das Dorf und seine Bewohner strahlen eine Unfreundlichkeit aus, dass es mir selbst ganz unbehaglich wurde beim Lesen. Durch Becketts Beschreibungen spürt man die Kälte des aufkommenden Schnees, die Abgeschiedenheit der Landschaft und den dicht stehenden Wald. Die beschriebene Gegend in England wird hier zu einem eigenständigen Charakter, so lebendig und greifbar beschrieben, dass man meint, selbst dort zu stehen. Ich habe später gegoogelt und war überrascht, wie genau meine innerlich entstandene Vorstellung mit der Realität übereinstimmte.
Das Setting selber erinnert an frühere Fälle. Diese abgeschotteten, ausweglosen Situationen, in denen Hunter von der Außenwelt abgeschnitten ist, ohne Strom, ohne Handyempfang, und mit einer Gemeinschaft, in der jeder etwas zu verbergen scheint, ist nicht ganz neu. Und doch inszeniert Beckett das Ganze erneut brillant und vor allem überzeugend. Der Fall selbst entfaltet sich langsam, Schicht für Schicht, mit feiner psychologischer Tiefe und einer glaubwürdigen Dynamik. Selbst wenn man irgendwann glaubt, den Täter zu erahnen, wartet am Ende doch noch eine Wendung, die einen überrascht. Nicht brachial auf Fitzek-Art, sondern elegant und auf den Punkt.
„Knochenkälte“ ist ein atmosphärisch dichter, hervorragend geschriebener Thriller, der weniger auf Tempo als auf psychologische Spannung und Setting setzt. Ein würdiger neuer Teil der Reihe und ein absolutes Muss für alle Fans von David Hunter. Ich finde es jedes Mal aufs Neue faszinierend, wie Becketts ruhiger, unaufgeregter Stil mich dennoch so fesseln kann, dass ich die Bücher kaum aus der Hand legen kann. „Knochenkälte“ bildet da keine Ausnahme. Ich habe es in wenigen Tagen verschlungen und war fast ein bisschen traurig, als es vorbei war. Jetzt heißt es wohl wieder warten, bis Simon Beckett uns das nächste Kapitel in David Hunters Leben schenkt. Oder vielleicht ist es an der Zeit, die Reihe noch einmal von vorn zu beginnen, schließlich ist „Die Chemie des Todes“ schon ganz schön lange her.
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