[Rezension] Sam Lloyd – Sie sieht, was du tust
«Es gibt Tagmenschen und es gibt Nachtmenschen, und ich gehöre definitiv zu Letzteren. Mein Leben findet nach Einbruch der Dunkelheit statt.»
Autor: Sam Lloyd
Titel: Sie sieht, was du tust
Übersetzung: Katharina Naumann
Genre: Thriller
Seitenzahl: 480
Erscheinungsdatum: 11. März 2025
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
Preis: 18,00€ (Paperback); 9,99€ (E-Book) –> Einführungspreis 4,99€
Meine Meinung:
Mercy Lake ist ein Nachtmensch. Bei Tageslicht verbarrikadiert sie sich zu Hause, doch kaum ist die Sonne untergegangen, geht sie ihrem “Geschäft” nach: Sie beobachtet ihre Mitmenschen in der Kleinstadt und manipuliert unbemerkt an ihren Leben herum, doch immer mit einem wohlwollenden Grundgedanken. Da wird der stadtbekannte Ganove am Einbrechen gehindert, dem bettlägerigen Alten ein schönerer Fensterausblick arrangiert und der vergesslichen Dame die Mülltonne rausgestellt. Doch eines Nachts trifft Mercy auf Louis, der ganz fasziniert von ihr zu sein scheint. Er schließt sich ihren nächtlichen Aufgaben an, doch schnell wird klar, dass Louis weit drastischere Vorgehensweisen bevorzugt. Zunächst ist Mercy ganz angetan von Louis und den neuen Impulsen, doch die Situation beginnt allmählich zu eskalieren…
Mercy Lake ist eine sehr seltsame Person. Die anfängliche Beschreibung von ihr war echt bizarr und ich hatte Schwierigkeiten ein Bild vor meinen Augen entstehen zu lassen. Die derzeitige Situation von Mercy gibt viele Rätsel auf, die man als Leser auch nicht sofort erfassen kann. Was es mit Mercys Zustand und ihrer Allgemeinverfassung auf sich hat, das bekommen wir portionsweise im Laufe der Story mit, doch so richtig Sinn macht es erst zum Ende des Buches. Auf jeden Fall haben wir hier mit Mercy eine sehr einprägsame Protagonistin. Doch wir lesen die Geschichte nicht nur aus Mercys Perspektive.
Ein besonderes Augenmerk ist im Buch auf die weiteren Personen gelegt worden. Dadurch dass Mercy ihre Mitmenschen alle nur durch reines Beobachten “kennt”, hat sie ihnen passende Spitznamen gegeben. Und so bemerkt man manchmal erst im Laufe des Kapitels, dass wir hier gerade aus der Perspektive eines Menschen lesen, den wir von Mercys Erzählungen her mit einem ganz anderen Namen kennen. Anfangs fand ich den Wust an vorkommenden Personen etwas viel und hatte die Befürchtung, dass ich durcheinander komme. Außerdem war mir lange nicht ganz klar wohin die Erzählung eigentlich gehen möchte, doch selten hat der Spruch “Trust the Process” so viel Sinn ergeben wie hier. Scheinbar unzusammenhängende Szenen und Personen, ergeben am Ende einfach total Sinn und ergeben ein rundes Bild.
Der Einstieg in das Buch war zugegebenermaßen etwas holperig. Man bekommt nicht direkt mit, wie die anfänglichen Kapitel zusammenhängen, doch wie gesagt, lohnt es sich am Ball zu bleiben. Generell könnte ich mir schon vorstellen, dass manche sich mit dem Sprachstil etwas schwer tun. Manche Szenen werden einfach sehr merkwürdig beschrieben, die Sätze waren teilweise einfach etwas holperig und absichtlich abgehackt. Worte werden einfach so einzeln stehen gelassen. Ich nehme an, dass das durchaus gewollt war und eben auf Mercys Gesundheitszustand zurückzuführen ist. Dennoch habe ich mich zwischenzeitlich gefragt was für einen wirren Unsinn ich hier lese.
Das letzte Drittel hat dem Buch definitiv einen Aufschwung verpasst, denn ab dem Punkt, wo alles etwas klarer wurde, konnte ich das Buch kaum noch weglegen. Trotz der gewöhnungsbedürftigen Schreibweise, lässt dich alles sehr schnell lesen und vor allem die kleinen Geschichten drum herum haben es sehr interessant gemacht. Sicherlich nicht ein Buch für Jedermann, aber wer gerne Thriller liest und einfach mal einen etwas anderen Spin reinbringen möchte, der sollte sich dieses Buch mal anschauen!

