[Rezension] Alice Feeney – Flutnacht

“Daisy Darker hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie. Jahre ist es her, dass sie alle im selben Raum waren. Als Daisys Großmutter zu ihrem achtzigsten Geburtstag an Halloween einlädt, gleich es daher einem Wunder, als sich alle in der alten Villa auf einer Klippe in Cornwall einfinden. Dorthin gelangt man nur bei Ebbe. Sobald die Flut einsetzt, ist die nicht gerade harmonische Familie für acht Stunden in dem düsteren Haus gefangen. Plötzlich wird ein Familienmitglied tot aufgefunden. Hilfe von außen lässt sich nicht rufen, ein Sturm kappt jegliche Verbindung. Alle sind verdächtig. Bei einer Leiche bleibt es nicht, und Daisy entdeckt Dinge über ihre Familie, die sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht hätte ausmalen können.”

Autorin: Alice Feeney
Titel: Flutnacht
Übersetzung: Anke Kreutzer
Genre: Thriller
Seitenzahl: 432
Erscheinungsdatum: 11. Dezember 2024
Verlag: Heyne
Preis: 12,00€ (Taschenbuch); 10,99€ (E-Book)

Meine Meinung:

Daisys Großmutter, von allen nur Nana genannt, lädt zu ihrem 80. Geburtstag die gesamte Familie ein. Recht unerwartet, denn es ist lange Zeit her, dass die Familie Darker zusammengefunden hat. Treffpunkt der Familie ist wie auch früher schon Nanas Villa namens Seaglass, die an der Küste Cornwalls liegt. Die Besonderheit liegt darin, dass Seaglass bei Flut von der Küste getrennt wird und man die Villa nur bei Ebbe erreichen kann. Als Familie Darker nun wieder beisammen ist und die ersten Streitigkeiten aufkommen, bleibt ihnen nichts anderes übrig als in der Villa auszuharren bis wieder Ebbe herrscht. Leichter gesagt als getan, denn nur kurze Zeit später ist eines der Familienmitglieder tot…

Alice Feeney schafft es bereits auf den ersten Seiten einen in ihren Bann zu ziehen. Die Geschichte wird uns aus der Sicht von Daisy Darker erzählt, was schon mal ein unheimlich kangvoller Name ist. Daisy kam mit “einem gebrochenen Herzen” zur Welt, einem Herzfehler, der sie nicht sonderlich alt werden lassen soll. Doch bis dato hat sie allen Ärzten das Gegenteil bewiesen und erfreut sich bester Gesundheit. Sie wurde ihr Leben lang förmlich in Watte gepackt, ging nie zur Schule und hat außerhalb der Familie kaum Interaktionen mit anderen gehabt. Schon immer hat sie ihre beiden Schwestern Rose und Lily beneidet, die einfach ein normales Leben führen konnten. Seaglass war immer Daisys Zuflucht gewesen, denn dort fühlte sie sich wohl und vor allem geliebt von ihrer Großmutter. Doch dieses Mal ist die Stimmung auf Seaglass sehr bedrückend. Die Familie war schon seit Jahren nicht mehr vollständig zusammen, doch als nun Nana passend zu ihrem 80. Geburtstag ihr Testament vorzeitig verlesen will, sind alle ganz Ohr.

Der Spannungsbogen hält den Leser hier richtig bei der Stange. Durch die wechselnden Zeitebenen können wir die Familie Darker in vermeintlich glücklicheren Zeiten erleben und sehen dabei zu wie Daisy aufwächst. In der Gegenwart ist die Familie auseinander getrieben. Man ist nicht gut aufeinander zu sprechen und die Aussicht nun die nächsten 8 Stunden gemeinsam verbringen zu müssen erfreut niemanden. Das eine tote Familienmitglied ginge vielleicht noch als Unfall durch, doch leider bleibt es nicht bei einer Leiche und so sitzen bald alle Verbliebenen ängstlich beisammen. Ist der Mörder unter ihnen oder befindet sich noch jemand im Haus? Unheimliche Gedichte und Videokassetten tauchen auf – irgendjemand treibt ein grausames Spielchen mit der Familie. Die Autorin hat hier eine wirklich tolle Atmosphäre geschaffen. Man weiß nicht so richtig, wohin die Story gehen soll – gefühlt ist alles im Bereich des Möglichen und so kann ma wunderbar miträtseln.

Ich habe mich bereits im Vorfeld sehr auf das Buch gefreut. Seit es 2022 im Englischen herauskam, bin ich immer wieder darüber gestolpert und die Meinungen waren meist hellaufbeistert. Ein paar wenige Ausnahmen konnte man lesen, aber vermutlich ist es bei diesem Buch ein Hopp oder Top Ding, ob man es mag. Im Deutschen ist es als Thriller deklariert, was man vielleicht etwas unpassend finden könnte. Andererseits ist das Thrillergenre eben breit gefächert und hier haben wir nunmal eine andere Nuancierung als in einem Thriller mit einem brutalen Serienkiller oder dergleichen. Vielleicht würde “Mystery-Thriller” ein wenig besser passen, wenn man es schon mehr eingrenzen möchte. Erstaunlicherweise ist das Ebook bereits am 1. Oktober erschienen, während die Printausgabe erst am 11. Dezember erscheinen wird.

Insgesamt fand ich “Flutnacht” einfach grandios! Ein Looked Room Setting, das durch die flutbedingte Abgeschiedenheit nicht noch mehr abgekapselt sein könnte, eine sich steigernde beklemmende Atmosphäre und Charaktere, die man nicht so schnell vergisst. Das absolut schockierende Ende hat dem Ganzen noch das Krönchen aufgesetzt. Durch den Plot Twist am Schluss bekommt das ganze Buch eine völlig neue Gewichtung und mit dem Wissen stelle ich mir ein Reread sogar sehr gut vor. Ich habe schon immer gerne Bücher von Alice Feeney gelesen, doch dieses hier ist bis dato mein absoluter Liebling.

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