[Rezension] Camilla Way – Sie beobachtet dich
“Da war es wieder! Dieses Gesicht in der Menge, das Edie jedes Mal erschrocken und zitternd zurückließ. Sie blickte genauer zu der Frau, doch es war nicht Heather. War es nie. Und trotzdem fuhr ihr der Schreck in alle Glieder. Zurück in ihrer Londoner Wohnung dachte Edie wieder mal an die Zeit, als sie noch jung und voller Träume war. Bis zu dem Tag, als alles sich änderte und dunkler wurde. Plötzlich klingelt es an der Tür. Als Edie öffnet, muss sie sich am Türrahmen festklammern. Das kann nicht sein! „Hallo, Edie“, sagt Heather lächelnd und betritt die Wohnung.”
Autorin: Camilla Way
Titel: Sie beobachtet dich
Übersetzung: Uta Rupprecht
Genre: Psychothriller
Seitenzahl: 352
Erscheinungsdatum: 28. Oktober 2021
Verlag: Piper
Preis: 11,00€ (Taschenbuch); 8,99€ (E-Book)
Meine Meinung:
Edie lebt ein recht trostloses Leben – hochschwanger und mittellos lebt sie in einer schäbigen Wohnung. Außer zu ihrem Onkel hat sie jeglichen Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen. Eines Tages steht plötzlich eine alte Schulfreundin vor ihrer Tür. Die beiden sind damals nicht im Guten auseinander gegangen, was also könnte Heather von ihr wollen? In Edie macht sich sogleich ein unbehagliches Gefühl breit…
Die Geschichte wird uns auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart haben wir Edie, hochschwanger und doch recht perspektivlos. Sie scheint einsam zu sein und oft in der Vergangenheit zu schwelgen. So wirklich erfahren wir nicht, warum genau sie nun hochschwanger und allein in einer ärmlichen Wohnung sitzt, dennoch wird immer mal wieder ein bisschen was angeteasert. Edie wird hier als eine recht schreckhafte Frau mit wenig Selbstbewusstsein dargestellt. In der Vergangenheit begleiten wir Heather, was ich zunächst etwas befremdlich fand, weil doch gefühlt Edie hier die Hauptperson ist. Auch macht das Geschehene im ersten Moment nicht wirklich Sinn, denn in der Vergangenheit wird Edie als stark und selbstbewusst dargestellt, während Heather ein scheues Mauerblümchen ist. In der Gegenwart nun scheint sich das Ganze um 180 Grad gedreht zu haben. Was also ist in der Zwischenzeit passiert, dass aus den beiden Mädchen, diese zwei ganz anderen Frauen geworden sind? Nach und nach nähern wir uns der Wahrheit…
Selten fand ich das Erzählen aus zwei Perspektiven so gelungen wie hier. Dadurch, dass man in der Vergangenheit Heather begleitet und in der Gegenwart Edie, kommt man als Leser automatisch dazu, sich auf irgendeine Seite zu stellen. Und ich war so hin- und hergerissen! Fest steht – beide haben einfach unverzeihliche Sachen getan.
Die Story war wirklich sehr fesselnd und vorantreibend geschrieben. Beide Zeitlinien hatten ihren eigenen Charme und durch die vertauschten Rollen, konnte man von beiden Frauen etwas erfahren. Diese vollkommene charakterliche Kehrtwende, die Edie durchgemacht hat, erscheint anfangs so untypisch. Doch im Laufe der Story kommt der Gedanke auf, dass Edie vielleicht schon immer die unsouveräne Frau ohne Selbstwert war – nur dass sie es früher überspielen konnte für Außenstehende. Was auch immer in der Zwischenzeitz geschehen sein mag… Edie strahlt keinerlei Selbstbewusstsein mehr aus.
Das Ende kam nicht so richtig überraschend und doch war es sehr passend. Ingesamt war es ein eher ruhiger Thriller, mit ein paar Schockmomenten. Vor allem jedoch die Darstellung der Beziehung zwischen den beiden Frauen hat mich packen können.